Vertical
Der Auftakt in die Berg- und Traillauf Weltmeisterschaft war ein großes Spektakel. Deutlich unter 3er Schnitt rasten sowohl Männer als auch Frauen durch die Gassen von Neustift, ehe es in den schmalen und steilen Trail hinauf zur Elfer- Bergstation hinein ging. Ein schmales Zaungatter wurde dort zum Nadelöhr. Es staute sich. Es wurde gedrückt und geschoben. Sich von Anfang an gut zu platzieren war schließlich wichtig, da das Überholen auf dem folgendem, 4 Kilometer langen, Singletrail mit erhöhtem Kraftaufwand verbunden war. Erst oben auf der breiten Skipiste löste sich dieses Problem. Wie in einer Halfpipe wurde dieser Schlussanstieg, mit jedem Meter dem er dem Ziel näher kam, steiler und steiler. Unbeeindruckt von den deutlich über 40% steilen Hängen zeigten sich die Sieger:innen Andrea Mayr und Patrick Kipngeno, die beide bis zum Schluss im Laufschritt unterwegs waren. Während Kipngeno aus Kenya mit deutlichem Vorsprung sowie von außen kaum erkennbarer Anstrengung vor Levi Kiprotich (UGA) und Josphat Kiprotich (KEN) siegte, brauchte es bei der mehrfachen Berglauf- Weltmeisterin aus Österreich eine entscheidende Tempoverschärfung kurz vor dem Ziel, um die Kenyanerin Philaris Kipsang hinter sich zu lassen. Letzteres sorgte für spektakuläre Bilder, sowohl im Livestream als auch bei den hunderten von Zuschauern, die in Zegama-Manier den Schlussanstieg säumten. Die US-Amerikanerin Grayson Murphy holte sich Bronze.
Nur knapp dahinter lief die bärenstarke Laura Hottenrott ein, die sich selbst und auch die zahlreich anwesenden deutschen Zuschauer überraschte. Domenika Mayer auf Platz 7 und Hanna Gröber auf Platz 22 liefen ebenso stark und sicherten Deutschland die erste Team-Medaille (Silber hinter Kenya und vor Großbritannien) dieser Weltmeisterschaft.
In einem unfassbar schnellem Männer-Rennen sicherten sich Filimon Abraham den neunten und Julius Ott den dreizehnten Platz. Mit Maximilian Zeus auf Platz 31 sicherten sich die Deutschen einen starken vierten Team-Rang und verpassten eine Medaille denkbar knapp.
Short Trail
Zweiter Tag! Erster Trailrunning-Wettkampf! Über 45 Kilometer und 3100 Höhenmeter ging es größtenteils über schmale Trails von Innsbruck nach Neustift. Bei den Männern war das Favoritenfeld illuster besetzt. Der erwartete Dreikampf zwischen Stian Angermund, Petter Engdahl und Jonathan Albon stellte sich dann aber doch nicht ein. Während die beiden Letzteren nicht ihren besten Tag erwischten, lief Ersterer von Beginn an–auch die steilsten Anstige laufend– vorneweg. Nur der 42-jährige Brite, Professor und Lokalmatador Thomas Roach, der an der Innsbrucker Uni einen Lehrstuhl für Botanik innehat, blieb dem Norweger an den Fersen. Nach 4 Stunden und 19 Minuten lief Stian Angermund schließlich als Weltmeister und Titelverteidiger in Neustift ein. Sensationell die Leistung von Roach, der sich zwei Minuten später die Silbermedaille sicherte. Mit Luca Del Pero (ITA) folgte auf dem Bronzerang eine Überraschung. Thibaut Baronian(FRA) und Jonathan Albon(GBR) komplettierten die Top Fünf. Unter die Top Ten mischte sich neben bekannten Namen, wie Francesco Puppi (ITA) und Frederic Tranchand (FRA) auch ein deutscher Name: Benedikt Hoffmann überzeugte auf Platz zehn voll und ganz. Marc Dürr (Platz 27), Thomas Wanninger (Platz 40) und Marcel Höche (Platz 44) komplettierten die solide Gesamtleistung des deutschen Männerteams. Stark auch Dominik Matt, bester Österreicher auf Rang 29. Bei den Damen war es Judith Wyder, die sich nach längerer Baby- und Verletzungspause in gewohnt starker Form zurückmeldete. Sie setzte sich früh an die Spitze des Rennens und musste jene erst kurz vor Schluss an, die im Downhill stärker performende, Clementine Geoffrey abgeben. Die Französin holte sich Gold. Gefolgt von den beiden starken Schweizerinnen Wyder und Theresa Leboeuf. Daniela Oemus konnte ihren Zegama-Sieg bestätigen und lief durch clevere Renneinteilung bis auf Platz sechs vor. Laura Hottenrott, die einzige Starterin mit Vertical-Vorbelastung in den Beinen, lief lange Zeit auf Platz zwei, musste das Rennen aber nach 4 Stunden vorzeitig beenden („Ich konnte mich irgendwann einfach nicht mehr auf das fordernde Gelände konzentrieren“). Anja Kobs lief ein starkes Rennen und belegte den 22. Rang. Lena Laukner (Platz 29) und Dioni Gorla (Platz 52) finishten ebenfalls solide.
Long Trail
Der Long Trail war ein echtes Brett. Über 6000 Höhenmeter und 85 Kilometer auf technisch sehr fordernden Trails warteten auf die Ultraläufer:innen. Das deutsche Team stellte sich um 6:30 Uhr nicht ganz ohne Druck an die Startlinie von Neustift. In der Person von Hannes Namberger sowie dem stark besetzten deutschen Frauenteam gab es durchaus Ambitionen auf Medaillenränge.
Nachdem sich auf den ersten Kilometern das Feld erstmal sortieren musste und einige Überambitionierte ihrem hohen Tempo Tribut zollten, setzte sich der Favorit Andreas Reiterer (ITA) an die Spitze. Bei den Damen schied die Favoritin und Titelverteidigerin Blandine L’Hirondel mit Problemen schon sehr früh aus dem Rennen aus. Nachdem die am Anfang deutlich führende Tschechin Marcela Vasinova, die sonst eher auf kürzeren Strecken unterwegs ist, ihr Tempo deutlich drosseln musste, entwickelte sich bei den Damen ein spektakulär enges Rennen bei dem die deutschen Damen ordentlich mitmischten. Tatsächlich war es Katharina Hartmuth die Vasinova nach 40 Kilometern überholte und etwas unfreiwillig („Ich lief einfach mein Tempo. Damit, dass ich auf einmal vorne war, musste ich erstmal umgehen lernen.“) die Führung übernahm. Aber ihre Verfolgerinnen folgten zahlreich in Sekunden- und Minutenabständen. Das war richtig spannend.
Mit Problemen hingegen kämpfte Hannes Namberger („Es kommt einfach keine Energie in meinem Körper an“). Erst nach einer Ernährungsumstellung, aber schon nach sechs vergangenen Rennstunden, besserte sich sein Befinden. An der Spitze indes schmolz der zwischenzeitlich 7-minütige Vorsprung von Reiterer dahin. Ohne Wasserreserven kämpfte er sich den heißen Schlussanstieg hinauf. Der junge Franzose Benjamin Roubiol zog an ihm vorbei. Den französischen Trail-Vizemeister hatte vorher wirklich niemand auf der Rechnung. Es wurde ein Überraschungsweltmeister. Mit letzter Kraftanstrengung konnte Reiterer die Silbermedaille knapp vor dem Slovaken Peter Frano verteidigen. Thibaut Garrivier (FRA) folgte auf Rang vier, kurz vor den drei US-Amerikanern Drew Holmen, Zach Miller und Eric Lipuma. Hannes Namberger arbeitete sich in einer starken zweiten Rennhälfte noch von Platz 32 auf Rang 14 vor. Sehr stark auch die beiden Schweizer Ramon Manetsch (Platz 8) und Walter Manser (Platz 10). Clever startend und kämpferisch finishend, sicherte sich Adrian Niski als zweiter Deutscher Rang 34. Stark! Alex Dautel musste schon früh mit Magenproblemen aussteigen. Florian Reichert, als Läufer und DLV-Verantwortlicher in einer delikaten Doppelrolle, erging es nicht besser. Knieprobleme zwangen ihn zum DNF.
Zurück zum fulminanten Frauenrennen: Die Französin Marion Delaspierre überholte Hartmuth im einzigen Flachstück des Rennens und sicherte sich die Goldmedaille mit knapp 7 Minuten Vorsprung vor der Wahl-Züricherin. Manon Bohard Callier (FRA) holte Bronze vor der stark kämpfenden Martina Valmassoi. Diese hatte auf dem letzten Abstieg noch Rosanna Buchauer überholt, die mit einem wiederholten fünften Platz bei einer Weltmeisterschaft aber mehr als zufrieden sein kann. Ida Sophie Hegemann litt im letzten Drittel des Rennens sehr („Ob ich das Rennen beendet hätte, wenn es nicht um eine Team-Medaille gegangen wäre, ist fraglich“), finishte aber auf einem für sie sensationell guten 15. Rang. Zwischenzeitlich waren die deutschen Damen sogar lange auf Gold-Kurs. Aber auch über die Silbermedaille hinter den dominanten Franzosen (die sogar den Ausfall ihrer Top-Favoritin L’Hirondel kompensieren konnten) durften sie sich ebenfalls sehr freuen. Eva Maria Sperger (Platz 20) und Marie Luise Mühlhuber (Platz 40) durften sich ebenfalls Edelmetall umhängen.
Mountain Classic
Der Up and Down Berglauf am Abschlusstag avancierte dann zum Finalo Furioso. Mit unglaublichen Geschwindigkeiten schossen die Weltmeister-Aspirant:innen über die teils steilen Asphaltstraßen und Trails zwischen der Alpenmetropole Innsbruck und dem 300 Meter höher gelegenem Dörfchen Hungerburg. Während die Junior:innen den Kurs einmal passierten (der Deutsche Lukas Ehrle schrammte auf Platz vier nur knapp an Edelmetall vorbei) mussten die Damen und Herren in getrennten Heats zwei Runden (insgesamt 14 Kilometer mit 600 Höhenmetern) laufen. In unglaublichen 56 Minuten und 14 Sekunden siegte Leonard Chemutai aus Uganda. Ombego Philemon folgte. Filimon Abraham lief ein sehr beherztes und mutiges Rennen, führte zwischenzeitlich sogar und durfte sich am Ende über die Bronzemedaille freuen. Julius Ott bestätigte sein starkes Vertical Ergebnis und verpasste auf Rang 11 nur knapp die Top-Ten.
Die US-Amerikanerin Grayson Murphy sicherte sich am Abschlusstag ihre zweite Medaille. Nach Bronze beim Vertical, holte sie sich nun Gold. Nachdem in der ersten Runde noch, die wie immer ohne Kompromisse laufende, Tove Alexandersson aus Schweden vorne lag, ließ Murphy selbiger in Runde zwei keine Chance und siegt mit großem Vorsprung vor der Orientierungsläuferin. Joyce Muthoni aus Kenya holte Bronze. Domenika Mayer sammelte eine Läuferin nach der anderen ein und konnte sich am Ende über einen starken fünften Platz freuen. Aufgrund des hohen Tempos gab es bei diesem Wettkampf viel Action aber auch einige, ein Glück nicht ernsthafte, Verletzungen.
Mit insgesamt vier Medaillen (3x Silber: Vertical Damen Team, Long Trail Damen Team, Long Trail Katharina Hartmuth und 1x Bronze: Mountain Classic Filimon Abraham) übererfüllte das deutsche Team die Erwartungen. Insgesamt gab es außerdem zehn Top-Ten-Platzierungen (Laura Hottenrott, zweimal Filimon Abraham, Daniela Oemus, Benedikt Hoffmann, Katharina Hartmuth, Rosanna Buchauer, zweimal Domenika Mayer, Lukas Ehrle).
Ein Erfolg, auch wenn dies im endgültigen Medaillenspiegel nur für Platz 10 reichte (die Goldene fehlte). Jenen dominierten die Franzosen (11 Medaillen) vor Kenya (9 Medaillen) und Großbritannien (6 Medaillen). Der Berg- und Traillauf Koordinator Kurt König verkündete nur wenige Minuten nach Beendigung des letzten Wettkampfs seinen Rücktritt– angesichts der sehr guten Leistungen seiner Athlet:innen tat er dies mit erhobenen Hauptes. Chapeau!