Sonne, Sieger, Singletrails – WMTRC Innsbruck/Stubai setzt neue Maßstäbe

11. Juni 2023 •

Was war das denn bitte? Was war da in Innsbruck und im Stubaital los und wie sehr hat sich ein ganzer Sport in eine Stadt verliebt, mit ihr vereinigt, mit ihr in einem Schwur zusammengetan?

Diese zweite Weltmeisterschaft der Bergläufer und Trailrunner, die WMTRC, war vom 6. bis 10. Juni wohl all das was man sich seit vielen Jahren gewünscht hatte. Der Sport in all seinen Facetten ist zu einer Veranstaltung geworden. Nein, nicht ein Event, wie wir es kannten, sondern ein Fest der Nationen, ein – sagen wir es so – Sommermärchen. Vieles erinnerte nämlich an diesen Juni 2006, als plötzlich der Sommer da war und München zu einem Freudentaumel des Fußballs wurde. Alle feierten.

Diesmal kein Fußball, sonder Laufsport am Berg. 4 Tage mit 4 Distanzen. Wer dieser Tage in der Hauptstadt Tirols war, kam um das Thema Trailrunning und WM nicht umher. 

Vor rund einem Jahr war klar, dass Innsbruck und Stubai den Zuschlag für diese WM bekommen. Im November noch gab es eine Art Generalprobe in Thailand, aber Innsbruck sollte was draufsetzen. Mehr als 4 Millionen Euro Budget, der potente Tourismusverband, Fördergelder und Sponsorengelder hoben das Niveau in bislang ungewohnte Höhen.

© Clemens Niedenthal

Am Ende ist Geld viel, aber nicht alles. Es war die Frage, ob all das was geplant an diesen vier Tagen auch aufgehen würde. Ja, das tat es. Mehr als dies. Diese WM startete und rannte sich von Beginn an in eine Eigendynamik die alle mitnahm. Das fing mit einer wunderschönen Eröffnungsfeier an und endete letztlich mit schlichtweg großartigem Sport. Dabei ist keine Disziplin der anderen überlegen gewesen – jeder Tag, jeder Wettkampf wurde gefeiert, an den Strecken war viel los und für die deutschsprachigen Teams gab es die Bestätigung, dass man international ziemlich gut dabei ist oder zumindest den besten Weg eingeschlagen hat.

Vertical. Das was wir Berglauf nennen

Auftakt war der Vertical in Neustift im Stubaital. Der Tross bewegte sich für einen Tag hinüber in das Nachbartal und Berglauf erlebte vielleicht eine Aufmerksamkeit und eine Party wie noch nie zuvor in Österreich oder gar Europa. An der Strecke, am letzten steilen Schlussanstieg stand der 6-fache Berglaufweltmeister Jono Wyatt aus Neuseeland, der als Zuschauer verriet, dass es wohl nur einmal so etwas gab – damals 2005 in Wellington in seiner Heimat.

Nun rennen die Weltbesten diesen höllisch steilen Skihang hinauf – die Schnellsten im Laufschritt, andere teils auf allen Vieren. Dass Andrea Mayr für Österreich den Titel und ihre insgesamt siebte Goldmedaille holt, wird an diesem Abend in den Hauptnachrichten ausgestrahlt und gibt den folgenden Tagen einen Boost in Sachen Publicity.

Trail Short. Bitte wie kurz?

Dass sich mehrere Verbände hier auf vier Rennformate verständigt haben, ist alleine ein Wunder und muss bestaunt werden. Über den Begriff „Trail Short“ für eine Distanz über 45 Kilometer mit mehr als 3000 Höhenmeter kann man diskutieren, denn der Mountainrunning-Verband hatte in der Vergangenheit zu solch einem Wettkampf noch „Longdistance“ gesagt. Nun gut. Aus Sicht der ITRA mag es „short“ sein.

Egal wie, Stian Angermund verteidigte seinen Titel so souverän, dass wirklich niemand in seine Nähe kam – zu keinem Zeitpunkt des Rennens. Einzig Jonathan Albon hätte ihm wohl gefährlich werden können, aber der war gesundheitlich angeschlagen. Dass dieser Thomas Roach Vizeweltmeister wurde, ist auch so eine kleine grosse Nebengeschichte dieser WM – er lebt und arbeitet als Professor in Innsbruck und hatte mal einen Dopingfall, bei dem Cannabis eine Rolle spielte. Wir nehmen ihm ernsthaften Betrug auch nicht ab. Bene Hoffmann wurde Zehnter und bewies seine ganze Qualität.Unsere Zegama-Siegerin Daniela Oemus war auch dabei, landete auf Platz 6 und hatte beste Laune im Ziel. Sie ist ein Glück für den deutschen Trailrunning-Sport. Sie hat uns irgendwie auf die Landkarte zurückgebracht.

© Clemens Niedenthal

Long und tough

Es mag irgendwie der Höhepunkt gewesen sein, denn dieser Trail Long über 85 Kilometer und rund 6000 Höhenmeter trieb schon Wochen vor dem Start gestandenen Leuten wie Namberger oder Sperger die Angst in die Knochen. Solch ein schweres WM-Rennen gab es noch nie zuvor. Noch nie war ein Berg- oder Trailrennen im Rahmen einer offiziellen Meisterschaft so anspruchsvoll. Nach der Absage von Jim Walmsley rückte Hannes Namberger als Titel-Aspirant in den Fokus. Am Ende wurde alles anders als gedacht. Ein junger Franzose wurde Weltmeister und Namberger erlebte einen schweren Tag. 

Katharina Hartmuth war vermutlich die Person dieser WM aus deutscher Sicht. Die in Zürich lebende junge Frau, lief ohne den Druck, den viele andere im deutschen Team verspürten. Sie lief befreit, lag schnell in Führung, wurde überholt und zeigte soviel Herz und Moral, dass sie diesen zweiten Platz bis ins Ziel am Innsbrucker Landestheater verteidigte. Vize-Weltmeisterin. Was ein Ding!

Am Ende gab es etliche Medaillen für das DLV-Team und doch ist es unsicher, wie es mit diesem Nationalkader weitergeht. Die Strukturen sind improvisiert, es fehlt an Geld und Mitteln und der Koordinator Kurt König trat am letzten Tag der WM vom Amt zurück. 

Ein Fazit: Innsbruck und eine Trail-WM wird es so feudal nicht mehr geben. Vorerst nicht. 2025 richtet Spanien die WMTRC aus. Ganz sicher ähnlich toll, aber nicht mit diesem Setting. Diese Woche, dieser atemberaubende und professionelle Live-Stream, solch ein Ort, der alpine Bergwelt und Urbanität verbindet, war einzigartig.

Wir werden diese WM im Herzen abspeichern.

von Denis Wischniewski

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