Hannes Namberger: Der Vollblut-Athlet

9. Juli 2021 •

Hannes Namberger war schon immer ein Vollzeit-Sportler. Schon in frühester Kindheit ist der Ruhpoldinger professionell auf den Alpin-Ski unterwegs. Neu seitdem: Die Sportart. Geblieben: Das Bewusstsein eines Vollblut-Athleten. Ein "laufendes" Gespräch über Vergangenes, den neuen Lieblingssport und zukünftige Ziele.

In Ruhpolding bin ich zuvor noch nie gewesen. Im Talkessel eingebettet zwischen Zinnkopf, Rauschberg und Unternberg liegt die Gemeinde mitten im beschaulichen Chiemgau. Das Biathlon Stadion im Ortskern fällt mir sofort ins Auge. Schnee liegt Mitte Dezember keiner. Ich bin auch nicht zum Skifahren gekommen, will aber jemanden besuchen der hier auf zwei Brettern aufgewachsen ist, inzwischen aber eher wegen seiner läuferischen Qualitäten bis weit über die Grenzen des Ruhpoldinger Talkessels bekannt ist. 

Hannes Namberger ist wohl der aktuell beste deutsche Trailrunner. Zumindest 2020 führte kein Weg an ihm vorbei, da waren sich die Leser dieses Magazins und die Experten-Jury absolut einig und kürten ihn zum Trailrunner dieses ganz speziellen Jahres. Wir sind an diesem nebligen Dezembertag zum laufen verabredet. Nix wildes. Wir laufen Hannes Hausrunde. 15 flache bis wellige Kilometer, die Hannes bis zu drei mal die Woche unter die Füße nimmt. Perfekt, um den ehemaligen Ski Alpin Profi gründlich auszufragen. Warum eigentlich Ski Alpin und nicht Biathlon? will ich als erstes wissen. „Keine Ahnung. Das war von Anfang an eigentlich nie eine Option. Der Papa Ski Alpin Profi, die Mama ambitionierte Ski- Fahrerin. Dass auch ich von klein auf an die Piste runterjage, war da irgendwie klar.“ Hannes gerät ins schwärmen wenn er von seiner Kindheit im Schnee erzählt. „Das war schon eine coole Zeit. Für mich gab es damals nur Ski fahren. Unser Trainer hat es sehr gut verstanden uns ganzheitlich auszubilden. Klettern, Rad fahren, Laufen, Berg gehen.  Von diesem breiten sportlichen Repertoire profitiere ich bis heute ungemein.“ Ja Hannes sportlicher Weg schien zunächst einen sehr geradlinigen Verlauf zu nehmen. Im DSV  Nachwuchs Kader gehörte er als Jugendlicher zu den allerbesten Slalom Fahrern Deutschlands, der Sprung zum Profi- Weltcup Athleten nur noch eine Frage der Zeit. Doch dann verletzte sich Hannes am Knie und stand fast 2 Jahre nicht auf den Slalom Latten. Beim Comeback dann der Druck: Der inzwischen 21-jährige musste zu seiner alten Form zurückfinden, um weiter die Förderung des Skiverbandes zu erhalten. „Körperlich war ich topfit, aber die Pause war zu lang gewesen. Ich hatte das Gefühl für die Ski verloren. Es würde wohl etwas dauern dieses Gefühl zurück zu erlangen. Doch die Zeit hatte ich nicht. Beziehungsweise sie wurde mir nicht gegeben.“ Hannes erhielt für die kommende Saison keine Förderung mehr. Ohne Förderung durch den Verband ist ein Profileben in diesem Sport nicht möglich. Zu hoch der finanzielle Aufwand für Trainer, Trainingslager und Wettkampfreisen. Das Ende eines Lebens für diesen einen Traum, welches Hannes seit den frühen Kindheitstagen führte, war also keine Entscheidung aus freien Stücken, sondern eine ihm auferlegte. „Das war schon sehr hart. Natürlich habe ich bitterlich geweint.“ Sagt der 31 jährige heute. Das letzte Ergebnis des Skiprofis Hannes Namberger, welches man online findet, stammt also aus dem Jahr 2011. Deutsche Meisterschaften am Jenner in Berchtesgaden. Namberger Platz 23. Platz 1: Fritz Dopfer vor Felix Neureuther, Alexander Liebl und Stefan Luitz. Keine Unbekannten.

(c) Riccardo Area

Unser gemeinsamer Dauerlauf führt uns entlang der weißen Traun vorbei am Ruhpoldinger Leichtathletik Stadion. „Hier mache ich einmal im Monat meine Intervalle. Einmal war sogar Flo Neuschwander dabei.“ erzählt Hannes mir. Wie kam das also, dass aus dem alpinen Skifahrer Namberger der Läufer Namberger wurde? „Nach dem Aus beim Skifahren, habe ich die kommenden 2 Jahre erstmal vieles nachgeholt, was zuvor zu kurz gekommen war. Ich bin viel gereist, hab mich im Winter beim Freeriden ausprobiert und war im Sommer eben mit leichten Schuhen am Berg unterwegs. Die Ausrüstung ist dabei immer leichter geworden und ich immer schneller. Irgendwann habe ich mir dann mein erstes Paar Dynafit Trailrunningschuhe gekauft.“ Da Hannes ein echter Wettkampfsportler ist, sollte der erste Laufbewerb nicht lange auf sich warten lassen.  Da kamen die 4Trails 2015, die in der Heimat Ruhpolding stoppten, gerade richtig. Doch dem Laufanfänger plagt ein Läuferknie. So wird der erste Wettkampf ein paar Wochen später desselben Sommers der Karwendelmarsch. Hannes wird bei diesem österreichischen Klassiker auf Anhieb Fünfter und erinnert sich noch haargenau an die Begegnung mit einem späteren Weggefährten: „Bei der letzten Verpflegung steht plötzlich ein blonder Läufer komplett in Dynafit gekleidet neben mir. Das ist doch der Benedikt Böhm denke ich. Krass.“ Hannes gibt nochmal alles und kommt tatsächlich wenige Sekunden vor dem bekannten Extremskibergsteiger und Dynafit Geschätsführer ins Ziel. Dass er wenige Jahre später einen Sponsoring Vertrag bei eben jener Firma unterschreibt, weiß er da noch nicht.

Was er aber ganz genau weiß ab diesem Tag, ist, dass Trailrunning von nun an sein Sport ist. In den nächsten Monaten und Jahren steigert er sein Trainingspensum, reduziert sein immer noch kräftiges Skifahrer- Gewicht um etliche Kilo und findet, das betont er mehrmals, besonderen Gefallen an der überaus sympathischen Trailrunningszene. „Im Gegensatz zu anderen Sportarten hat da keiner Allüren. Du kannst zu Stars wie Jim Walmsley oder Pau Capell einfach hingehen und mit ihnen auf Augenhöhe quatschen. Für mich war das großartig, dass ich als Neuling so gut aufgenommen wurde. Ich hatte am Anfang ja keine Ahnung von nichts. Da war ich froh, wenn mir jemand wie du (zeigt auf den Autor dieser Zeilen) erklärt hat, was mit diesem Tapern gemeint ist“ erzählt Hannes lachend. 

Hannes Namberger und Autor Benni Bublak beim "Interview-Run"

Inzwischen ist unser Vormittags- Läufchen zu Ende. Wir gehen in den Keller. Genau hier hängt Hannes nicht selten noch eine zweite Trainingseinheit später am Tag dran. Hört sich Trist an, schaut aber ganz und garnicht so aus. Denn „der Keller“ ist mehr als nur ein dunkler Raum mit Radrolle. Mehrere Regale mit Laufschuhen, sicher fast ein dutzend Ski und ebenso viele Stöcke sowie etliche Startnummern und Trophäen, schmücken jede der vier Wände. Alles fein säuberlich platziert und aufgereiht. Genauso wie im Sportkeller bevorzugt Hannes es auch im Leben geordnet und strukturiert. Man hat das Gefühl, dass dieser Typ für alles einen Plan hat. Auch wenn man es ob seiner lockeren und entspannten Art nicht sofort vermuten mag, Hannes weiß ganz genau was er will und –das unterscheidet ihn vielleicht nochmal von vielen anderen Spitzen Athleten– scheint keinerlei Zweifel daran zu haben, dass aus dem „wollen“ irgendwann ein „machen“ wird. „Ich hab schon so ein richtiges Lebensziel“ sagt er selbst. Jetzt wird es spannend, denke ich mir und frage genauer nach: „Top Drei beim UTMB traue ich mir schon irgendwann zu. Die langen Geschichten liegen mir einfach.“ Spätestens nach der phänomenalen Zeit bei den über 100 Kilometern des Pitz Alpine Glacier Trails in diesem August hat daran wohl kaum noch jemand seine Zweifel, erst Recht nicht der Autor dieser Zeilen, der 2 Stunden nach ihm, immerhin noch auf Platz zwei, das Ziel erreichte. „Ich bin schon ein richtiger Wettkampftyp, wenns drauf ankommt will ich alles aus mir raus holen und habe eine hohe Bereitschaft mich zu quälen. Da braucht es nicht einmal einen Konkurrenten im Nacken.“ Erzählt Hannes mir auf meine verwunderte Nachfrage, warum er denn mit dem Sieg im Blick, nicht einfach einen Gang runtergeschaltet habe. Nicht nur im Pitztal, auch beim Mayrhofen Ultraks und beim Dynafit Run 3 stand der 31 Jährige 2020 auf dem obersten Podestplatz. Nicht zu vergessen, seinen grandiosen FKT-Lauf über den Watzmann (nur geschlagen durch Anton Palzer). Für 2021 sind die Ziele deswegen nicht kleiner geworden. Auf dem Plan steht unter anderem der Zugspitz Ultratrail. Kurz zuvor erzählte er mir noch, dass für ihn Stephan Hugenschmidt immer noch der beste deutsche Trailrunner ist. Ich brauche ihm also nur in die Augen zu schauen, eins und eins zusammen zählen und weiß was Hannes am höchsten Berg Deutschlands vor hat (der Streckenrekord von Stephan Hugenschmidt ist seit dem Jahr 2014 unangetastet). Und dann steht natürlich der UTMB auf der Agenda, wobei Hannes sich hier bewusst ist, dass 100 Meilen ihre ganz eigenen Regeln haben. „In Chamonix ist nächstes Jahr erstmal nur reinschnuppern und Erfahrung sammeln, angesagt.“

Frau und Supporterin Ida fällt Hannes beim Lavaredo als erstes in die Arme (c) Riccardo Area

Wir sitzen inzwischen beim Mittag zusammen mit Hannes Freundin. Ida hat er, wie könnte es anders sein, beim Training auf der Skipiste kennen gelernt. Die Sportuhr meldet sich. „Michael Arend hat deinen Lauf kommentiert“ liest Hannes grinsend vor. Seit fast 2 Jahren trainiert er nun mit Michael und konnte seine Leistung seitdem, bekanntermaßen, deutlich steigern. Er sagt aber auch: „Der Chef bin am Ende immer noch ich. Man kann nicht alles abgeben, sondern muss auch viel auf den Körper hören.“ Und anscheinend auch mal spontan unvernünftig sein. Der 100er im Pitztal war so nämlich nicht geplant. „Ich hab eine Woche vor dem Lauf Michael angerufen und ihm eröffnet, dass ich den 100er anstatt dem Marathon laufe. Er meinte nur: ´Wie jetzt? Dein Training die letzten Wochen war komplett auf den Marathon ausgerichtet. Aber ok, kann ich dir kurzfristig noch irgendwie helfen?` Nein. Alles gut. Ich mach das einfach.“ Wie er das machte, ist Trailrunning-Geschichte.

Wenn Hannes nicht läuft, arbeitet er bei der Bundespolizei. Früher, auf dem Weg zum Ski-Profi, war das eine Sportförderstelle, jetzt als wohl bester deutscher Trailrunner, ist es ein Vollzeit Job. Aus der Position eines Laufsportmagazins ist das sicherlich schwer nachzuvollziehen. Den Job an den Nagel hängen und ein Profileben führen, ist für Hannes allerdings keine Option. Einerseits ist da natürlich die langfristige Sicherheit, andererseits aber vor allem auch ein ausgleichendes Korrektiv zum Leistungssport. „Ich war schon einmal Profi, Das ist nicht unbedingt immer leistungsfördernd rund um die Uhr nur für diese eine Sache zu leben. So habe ich auch mal etwas anderes im Kopf und auch keinen Druck, dass meine Existenz von meiner Leistung abhängt. Dadurch kann ich das ganze viel lockerer und befreiter angehen.“

Hannes Namberger war schon immer Leistungssportler. Das merkt man vor allem an seinem Mindset. Seine große Stärke ist, das sagt er selber, das Mentale. Wir gratulieren an dieser Stelle herzlich zur Wahl zum Trailrunner des Jahres, sind aber nach diesem Treffen überzeugter denn je, dass diese Ehrung nur ein Anfang ist. Ohne hier zu früh die großen Phrasen vom „Superstar“ und „Hoffnungsträger“ in den Mund nehmen zu wollen, schauen wir 2021 gespannt Richtung Zugspitze und Mont Blanc und konstatieren einfach mal: Dieser Junge hat was vor!

Dieses Porträt erschien Anfang 2021 in der gedruckten Version des TRAIL Magazins!

von Benni Bublak

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