Wieso wir Papier lieben und glauben, dass es Sinn macht auch 2025 ein Print-Magazin zu machen.
 
Es wird richtig einsam um uns herum und ein wenig ärgern sie uns auch. Man könnte sagen, sie machen es uns nicht immer einfach.

Jede neue Ausgabe TRAIL Magazin unterliegt einem Ritual. Ich liege auf dem Redaktionssofa und starre die Decke an. In der Hand halte ich einen sehr hochwertigen Bleistift. Ich liebe ihn und das was jetzt kommt.Ich „scribble“ den Seitenplan, trage alle Inhalte, alle Themen, die uns in den Kopf kommen, irgendwie so ein, dass am Ende alle 100 Seiten gefüllt sind. Hier und da radiere ich, spendiere der einen Story doch noch eine Seite mehr oder lösche eine eher seltsame Überlegungen um sie irgendwann für ein späteres Heft wieder ganz gut zu finden. Nach einer oder zwei Stunden liegt ein ziemlich wilder Plan vor mir, der einmal ein seriöses Heft werden soll.Man braucht etwas Fantasie, ok, aber es funktioniert. Der Prozess von dort, bis zum gedruckten TRAIL, das irgendwann im Briefkasten oder Kiosk liegt, ist lang und sehr sexy. Dazwischen hängen wir inmitten von Texten , in einem bunten, manchmal zu chaotischen Layout, in Fotowelten und Widersprüchen. Wir gehen laufen, wir testen Produkte, wir nehmen an Trail-Wettkämpfen teil und beobachten andere, wie die diesen Sport so betreiben.Dieser Prozess ist unser Beruf. Ziemlich cool. Ziemlich saucool.
Seit 2012. Seit 13 Jahren ist das unsere Welt. Ich will nix anderes machen. Ich bin 51 Jahre alt. Ich hab da was gefunden was ich unfassbar gerne mache. Ich weiss um die Relevanz von Social Media, darum, wie wichtig unser Instagram-Profil ist und auch der Podcast, aber das gedruckte TRAIL Magazin zu machen, machen zu dürfen, ist einfach die Krone. „Do not steal my crown MF!“
Noch vor ein paar Jahren blickten wir sehr gerne und aufmerksam in die USA und nach England. In den Vereinigten Staaten gab es bis vor kurzem das auflagenstärkste Trailrunning-Magazin der Welt. „Trailrunner USA“ veröffentlichte 2022 die letzte Papier-Ausgabe und ist heute eine mehr oder weniger fade Online-Version, eine seelenlose Homepage. Von einer einstigen Institution blieb eine Instagram-Seite mit 317 Tsd. Followern – die Währung die für das Verlagshaus um Outside inc. ganz am Ende zählte. Ähnliches Schicksal ereilte dem britischen Magazin „Trail Running UK“. 2023 lag die last Edition am Kiosk. Heute findet man nur noch eine wenig aktuelle Instagram-Präsenz, die mit 89 Tsd. Followern die einstige Beliebtheit dem Publishingriesen Bauer Media opferte. Es war nicht so, dass es nicht Menschen gegeben hätte, die diese Zeitschriften gerne gelesen hätte. Das Versprechen, ein Printmagazin aufzulösen, es einzustellen um es schließlich „online“ fortzusetzen, ist ein Märchen. Es gelingt nicht. Es klappt nie. Alles was an Magie einmal da war, geht verloren. Wenn der Druckzylinder still steht, steht auch die Identität still. Das mag bei Publikation, die immer und ausschliesslich digital waren, anders sein. Ohne jeden Zweifel.
Wenn wir unsere 6 Druckausgaben planen und erarbeiten, steht am Ende des Prozesses, immer ein Datum. Es ist die Dateiabgabe, der Tag, an dem wir die komplette Datei, das fertige Heft als PDF X3 an unsere Druckerei senden. Ein simpler Upload. Ein Klick. Und doch ein Megading. 5 Wochen Arbeit lösen sich ein.Manchmal. Nur manchmal steht da an dieser riesigen Druckmaschine, die so gut und gerne eine Million Euro kostet, ein Mann, der mir per WhatsApp ein Video schickt, wie unser Cover durch die Zylinder rast und zielsicher in dieser Auslage landet. Das Wunder der Geburt. Alle 2 Monate neu. Auch das ist unser TRAIL Magazin – eine wundervolle Kombination aus Gedanken, Texten, Fotos und echtem Handwerk. TRAIL ist immer ein gemeinschaftliches Werk. Das macht es besonders. Ich arbeitete viele Jahre in einem großen Verlagshaus. Das einzelne Magazin, die eine Redaktion, hat es immer schwer unter dem Dach eines großen Unternehmens. Traditionen haben kein Gewicht. Um heute eine Zeitschrift aufzugeben, ihr die Legitimation auf Papier, am Kiosk, zu nehmen, braucht es nicht viel. Das sind Entscheidungen, die Zahlen unterliegen und manchmal auch kruden Strategien. Für mich ist TRAIL kein Magazin unter vielen. Es ist mein Beruf. TRAIL erscheint seit 2012 im sogenannten Eigenverlag und wer glaubt, dass wir ein Unternehmen sind – nun gut. Wir machen das verdammte Heft, wir sind insgesamt lediglich 3 oder 4 Leute. Der Chefredakteur wischt das Treppenhaus, er kocht Kaffee, wenn mal hoher Industrie-Besuch kommt oder Hannes Namberger anklopft. Das TRAIL Magazin ist ein Einzelunternehmen. Volle Haftung, keine Bilanz. Wir machen immer nur das und soviel, wie wir uns leisten können.
Eine Frage die mich sehr umtreibt ist „Was ist der Indikator des echten Erfolges unseres Magazins?“
„Wieviele Menschen lesen und kaufen es?“
„Wieviel Gewinn erwirtschaften wir am Ende des Jahres?“
„Wieviele Instagram Follower haben wir?“
„Wie hoch sind unsere Umsätze aus Anzeigengeschäften bzw. Industriekooperationen?“
Ich habe die Frage selbst längst beantwortet. Es sind die Leserinnen und Leser. Nur diese Zahl hat für mich einen wahren Wert. Eine interessante Feststellung in diesem Zusammenhang wäre auch, dass wir aktuell, bei steigenden Verkaufszahlen der Printhefte, auf Instagram stagnieren.So what.Es mag Leute geben, die sagen möchten „ach, bitteschön, jetzt erkennt die Zeichen der Zeit und investiert in neue Medien. Man muss doch wissen, wann eine Sache zum Ende kommt.“ Stimmt. Vielleicht. Es gibt schnellere Medien als Papier, es gibt auch fairere, welche die liberaler und sogar inklusiver funktionieren. Wir werden mit TRAIL nicht die jungen Wilden erreichen, nicht all jene, die sich bis auf das letzte Bit ihre Leben über das Smartphone eingerichtet haben, aber wir machen auch 2025 rund 20.000 Menschen mehr oder weniger happy, wenn alle 2 Monaten diese Zeitschrift „rauskommt“. Wir bekommen meist ziemlich nette Nachrichten, ziemlich Lob und das macht unsere Leben ziemlich nice und bunt. Das TRAIL Magazin soll so manchen in den Sport gebracht haben, so manche im Sport gehalten haben. Es soll Influencer geben, die das auch schaffen, aber es wäre vermessen, wenn wir uns mit dem Personenkult anlegen. Da verlieren wir.Wo wir gewinnen – in der Ruhe. Unsere Zeitschrift mag nicht die neueste Technologie sein, sie hat keine KI, aber sie muss auch nicht mehr sein als eine Zeitschrift. Irgendwann, lange nach dem zu Beginn des Textes erwähnten „Scribbles“, fährt ein LKW in unsere Hofeinfahrt. Ein Mann, ähnlich dem Mann an der teuren Druckmaschine, hieft fünf Kartons mit frisch gedruckten Ausgaben von der Ladefläche. Wir trinken einen Espresso, er fährt vom Hof. Ich reiße die Kartons auf. Ohne Cutmesser, mit bloßen Händen. Dann liege ich auf dem Redaktionssofa und blättere durch diese 100 Seiten, die ich bestens kenne, aber mit einem puren Glück lese. Ich mag den Geruch. Ich werde ruhiger. Mein Zustand verbessert sich. An diesem Tag werde ich das Heft noch 20,30 oder vielleicht sogar 100 mal in die Hände nehmen, rein blättern, querlesen. Es ist was es ist.
2025 erscheinen 6 Ausgaben TRAIL Magazin. Ihr könnt uns unterstützen. Ihr könnt eine völlig unabhängige Zeitschrift, eine der letzten Zeitschriften im Eigenverlag, mit einem Kauf am Kiosk oder im Jahresabo supporten.
Sie ärgern uns. Die Post versendet Abo-Hefte unzuverlässiger denn je, das Porto steigt aber ständig. Die grossen Verlage drücken uns subtil, aber spürbar aus den Verkaufsstellen am Kiosk. Wir drucken zurück.
Wir bedanken uns sehr bei Euch!
TRAIL Herausgeber & Print-Dino
Denis Wischniewski
 
 
 
 
 
 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ich liege auf dem Redaktionssofa 

und starre die Decke an. 

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von Denis Wischniewski

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